Sonntag, 19. Februar 2017

19. Februar 2017

SONNTAG | 19. Februar 7. Sonntag im Jahreskreis
  L1: Lev 19,1-2.17-18 L2: 1 Kor 3,16-23 Ev: Mt 5,38-48
– Hab’ ich aus dem Sonntagsblättchen, das man sich elektronisch holen kann von hier:
https://www.sankt-petrus-bonn.de/st-petrus/wochenzettel – unten links 

11.30 Uhr Stiftskirche Heilige Messe (Pfr. Blanke) Pfr. Blanke 10 Jahre in St. Petrus, musikalische
Gestaltung: Stifts-Chor Bonn und Chorios

 Pfarrer Blanke predigt am Sonntag, 21.2.2017
Feierlich war’s, fromm war’s, voll, und Pfarrer Blanke frischte uns den Glauben auf. Nur nicht die Hoffnung aufgeben auf Gott! Die Versuchung scheint unwiderstehlich, wenn man am Ende kein Licht mehr sieht, nur den finsteren Tunnel. Das war bei Hiob schon so, etwa vier Jahrhunderte vor Christus, sogar für Christus am Kreuz (»Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?«), nach dem  Holocaust und heute in Terror und Kriegen, im Mittelmeer. Mancher verzweifelt an Gott wegen »nichts«, und doch ist es für ihn so schlimm wie jedem, der Gott fern meint.
 Blasiussegen · Fotos Fremerey
   Doch hören wir Pfarrer Blanke selbst. Vielleicht schickt er mir ja seine Predigt. Eine Sprachaufnahme wäre auch schön, für die, die schwer lesen oder ungern.

Hier die Predigt:



Predigt am siebten Sonntag A, 2017 anlässlich des zehnten Jahrestages meines Dienstes in Sankt Petrus
Thema: »Nur Mut!«
zu 2 Timotheus 1,6-8. 13-14

Liebe Schwestern und Brüder,

Zehn Jahre bin ich nun im Weinberg des Herrn, in Sankt Petrus tätig.
    Diese zehn Jahre sind wie im Fluge vergangen.
    Und in dieser Dekade hat sich die Situation der Kirche insgesamt zugespitzt.
    Viele Menschen haben sich in diesen zehn Jahren von der Kirche abgewandt – bedingt nicht nur durch innerkirchliche Skandale und mangelnden Reformeifer, sondern auch durch Desinteresse, durch Überdruss, durch gesellschaftliche Fettleibigkeit, »die adipöse Leere der Fülle«, wie sie der Kulturphilosoph Bjung Han nennt.
    Auch dadurch, dass unser Erfahrungshorizont immer enger wird und sich in eine endlose Ich-Schleife verwickelt – die Empathie verloren geht in einer Gesellschaft der digitalen Hyperkommunikation, der Hyperproduktion- der Hyperkonsumtion. Hinzu kommen neue gesellschaftliche und politische Herausforderungen, die wir vor zehn Jahren in diesem Maß noch nicht ahnten.
    Die Kirche stand manchmal hilflos, verzagt und oft genug unbeweglich vor diesen Herausforderungen.
    Doch dann sandte uns der Heilige Geist Papst Franziskus. Seitdem er Bischof von Rom ist, gibt es so etwas wie einen neuen Mut, einen Mut zu einem Perspektivwechsel, zu einer neuen Sicht und zu einem neuen Aufbruch.
   Er hat radikal mit einer selbstverliebten und unbeweglichen Kirche gebrochen, die sich in eine Burg zurückzuziehen drohte, verliebt in den Kult, aber nicht in die Menschen.
   Er ermutigt sich zu öffnen für fragende, suchende und zweifelnde Menschen, vor allem für junge Menschen, die Orientierung suchen, aber auch für gescheiterte und schuldiggewordenen Menschen.
In seiner Vision von Kirche soll etwas von der »Freude des Evangeliums« spürbar werden, und er gibt immer wieder neue Impulse, für alle, die auf neue Weise Gemeinde Christi sein wollen – etwas davon ist für mich hier bei uns in Sankt Petrus sichtbar und erfahrbar geworden.


Liebe Schwestern und Brüder,
   wir sind keine große Gemeinde, dafür aber eine Gemeinde, in der Neuaufbrüche möglich sind, und in der wir mit dem Petrusweg einen neuen Weg zu gehen versuchen und damit schon etwas von dieser neuen Perspektive verwirklichen.
   Das alles hat mir in den vergangenen zehn Jahren Mut gemacht und Hoffnung gegeben, und deshalb kann und will ich nicht die große Klage über den Zustand unserer Kirche mit einstimmen, obwohl ich, wie Sie wissen, dafür bin, dass mutige Schritte – und Papst Franziskus versucht sie ja zu gehen – gewagt werden – auch grundlegende strukturelle Reformen, ohne die die Kirche gefährdet ist, zu einer Groß-Sekte zu verkümmern.
    Doch alle strukturellen Reformen brauchen Mut, verbunden mit einer geistlichen Verankerung und Inspiration: Zum Mut gehört die Demut, ohne die jede Reform in Gefahr ist, lieblos und kalt zu werden.
   Zu diesem Mut können wir uns vom Heiligen Paulus inspirieren lassen, derseinem Schüler Timotheus zuruft: »Hab Mut! Denn  Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern des Mutes, der Liebe und der Besonnenheit«.
   Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern des Mutes, der Liebe und der Besonnenheit.
   Was heißt das für uns  heute?
   Welchen Mut brauchen wir heute – angesichts der von mir beschriebenen Veränderungen in der Welt, angesichts einer kleiner werdenden Kirche, angesichts von erschreckenden Katastrophen und globaler Gleichgültigkeit?
    Vielleicht ist es hilfreich, sich einmal die Frage zu stellen: Was ich mit dem Wort Mut verbinde – an was denke ich, wenn ich das Wort Mut höre?   

   -Stille-
   Vielleicht an Szenen aus Wildwestfilmen?
   Wo der Sheriff voller Mut für die Gerechtigkeit eintritt?

   Oder an den Mut von Bergsteigern oder Kajakfahrern?
   Vielleicht erinnern wir uns auch an Mutproben, die wir als Kinder oder Jugendliche gemacht haben, um uns vor uns selbst und vor anderen zu bestätigen?
    Ich vermute, dass diese Art des Mutes wenig oder nichts mit dem zu tun hat, was Paulus meint, wenn er Timotheus Mut macht und diesen Mut von ihm erwartet.
   Es ist der Mut zum Leben, den uns der Glaube schenken will. Der Mut, der mir die Kraft gibt, nicht stehenzubleiben, bei dem, was ich sehe und erlebe, sondern weiter zu gehen, auch wenn es mühsam ist.
 

(Zu hoffen, dass dieses Leben nicht alles ist. Dass  es eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt, dass die Wirklichkeit mich unendlich übersteigt.)

Dabei könnte manche Erfahrung mit mir selbst mich mutlos machen.
Ich erlebe die Kluft zwischen Wollen und Vollbringen.
Ich möchte mich ändern und erlahme immer wieder.
Ich nehme mir etwas vor, und schaffe es nicht.
(Michelangelo
*) »Ich wollte, o Herr, das wollen, was ich nicht will. Zwischen dem Feuer und dem Herzen birgt sich ein Schleier von Eis, den das Feuer zerlischt, darum entspricht nicht die Feder dem Werk und macht zum Lügner das Blatt.«

Ich muss gestehen, ohne den Glauben, dass Gott mich hält und dass Er sich mir immer wieder zuneigt und mir immer wieder einen neuen Anfang schenkt, hätte ich längst die Flinte ins Korn geworfen –
Aber mit diesem Glauben habe ich Mut, stets wieder neu zu beginnen, stets von neuem etwas zu wagen.

II)

Dieser Glaube ermutigt auch, der unsicheren Zukunft meines Lebens, der Kirche und der Welt entgegenzugehen, ohne immer nur in die vermeintlich bessere Vergangenheit zu starren. (wider die Traditionalisten, Kardinal Newman)
    Er bewahrt mich vor einer resignativen Haltung, die immer nur jammert und klagt angesichts der bösen Zeitumstände.
   Er macht Mut, für eine größere Verwirklichung des Evangeliums in der Kirche zu arbeiten.
   Und er stärkt mein Vertrauen, dass das niemals sinnlos ist.

Nur – Wie kann ich an einen Helfer glauben, den ich nicht sehe?
Von dem ich immer nur höre, dass Er da ist?
Und wie soll mir Der Mut machen?

Das kann mir doch eher die Orientierung nehmen, mir Angst machen. Diese Fragen brauchen wir nicht zu verdrängen.
    Es sind Fragen, die schon die engsten Vertrauten Jesu gestellt haben.
    Das Evangelium macht ihnen und uns immer wieder Mut, gegen den Augenschein zu glauben.
   »Wenn euer Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: ›Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanz’ dich ins Meer!‹ Und er würde euch gehorchen!« sagt Jesus einmal.
   Der kleine Glaube genügt, und es ist doch sehr tröstlich und ermutigend, dass wir unsere Zweifel und Anfechtungen nicht verdrängen müssen!
   »Zum Glauben gehört die Anfechtung und die Not des Glaubens und die Mutlosigkeit. Was gegen den Glauben spricht, scheint immer einleuchtender zu sein und „gegen Zweifel ist kein Mensch gefeit“, sagt Papst Franziskus in einem Interview.

   Und er fährt fort: »Auch der heilige Petrus war es nicht, denken wir nur an den Ruf Jesu zu ihm über das Wasser zu kommen. Habe Mut, Petrus und komm! Jesus gibt ihm das Vertrauen, dass er uns auch dann hält, wenn alles um uns herum haltlos zu werden droht, auch dann, wenn wir das Gefühl haben unterzugehen.«
   Das heißt doch: Ich bin gehalten.
   Das kann mir Mut machen –
   Mut zum Leben, verbunden mit dem Mut, mich selbst anzunehmen.
   Denn die Mitte des christlichen Glaubens, die Botschaft Jesu, besagt ja: Gott verhält sich zu uns wie ein Vater und eine Mutter zu ihrem Kind. Um es präziser zu sagen: wie ein verständnisvoller Vater und eine verständnisvolle Mutter zu ihrem in mancher Hinsicht schwierigen Kind.
   Gott nimmt mich an mit meinen Schatten- und meiner Schlagseite.    

   Wenn ich mich auf diese Wahrheit einlasse, wird es mir möglich, zu mir selbst ja zu sagen, das widersprüchliche Ganze meines Wesens so anzunehmen, wie es ist, im Wissen darum, dass Gott mich liebt
– so wie ich bin, als Fragment.
   Indem dieser Glaube Mut zur Selbstannahme schenkt, ermöglicht er Wachstum, Reiferwerden, fördert er die Selbstständigkeit und Mündigkeit.
   Und dazu ermutigt Paulus Timotheus.
   Und das kann mich froh machen.
   Selbst dann, wenn ich als Glaubender dunkle Stunden erlebe, die keinem Menschen erspart bleiben.
   Denn ich darf hoffen, auch wenn ich Not und Dunkelheit nicht beheben kann und wenn ich nicht begreife, was sie für einen Sinn haben soll: Gott ist mir auch in schweren Augenblicken nahe und kann das Fragmentarische vollenden und dem mir sinnlos Erscheinenden einen Sinn geben.

»Habe Mut!«, ruft der heilige Paulus Timotheus zu,
»Gott will nicht, dass du verzagt bist, sondern dass du etwas wagst in diesem Leben!«
   Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im KZ Flossenburg hingerichtet wurde, hat eswunderbar ausgedrückt: „Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Strom des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.“

*)
http://www.sonett-central.de/rilke/michelangelo.htm
Michelangelo übersetzt von Rainer Maria Rilke
   Ich wollte wollen, Herr, was ich nicht will:
   vom Feuer trennt das Herz ein Schleier Eises
   und dämpft die Glut; der Nachdruck des Beweises
   fehlt meiner Feder, und das Blatt hält still.
   Vorrei voler, Signor, quel ch’io non voglio:
   tra ’l foco e ’l cor di ghiaccia un vel s’asconde
   che ’l foco ammorza, onde non corrisponde
   la penna all’opre, e fa bugiardo ’l foglio.
Wollen wollt’ ich, Herr, was ich nicht will. Zwischen Feuer und eisigem Herzen versteckt sich ein Schleier, der das Feuer erstickt. Also stimmt das Geschriebene nicht zu den Taten und zeiht es der Lüge. – So etwa.

Nun, dieser Blog ist erst am Anfang; und ich kann alles wieder korrigieren, löschen oder einfügen. Ich bitte auch um Nachricht, wenn sich jemand nicht oder nicht so im Bild sehen möchte. Dann nehme ich es wieder heraus. Ist die Schrift groß genug, oder wollen Sie’s so?
   Am Ende der feierlichen Messe in der Stiftskirche würdigte Pfarrgemeinderat Günther Werker die Jahre Blankes. Und nach dem Segen waren wir eingeladen in den Pfarrsaal nebendran. Launige Gedichte und Bönnsche Ständchen wurde dem »Jubilar« dargebracht. Danke!
Ständchen. Abspielen: https://youtu.be/EW868_6MNWU
Link hierher:   
http://blankebonn.blogspot.com/2017/02/19-februar-2017.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen